3. März 2024  von K. Ulmer und P. Merker

Kostenfalle Aufräumen, Abbruch und Entsorgung? Worauf es in der Feuer-Industrieversicherung ankommt

Im Moment bin ich als Sachverständiger bei einem großen, vor allem aber recht komplexen Brandschaden bei einem Lebensmittelbetrieb unterwegs. Bei solchen Schäden sieht man sehr gut, wo in der Praxis die Probleme auftauchen.

Ein Knackpunkt sind die Kosten für Aufräumarbeiten, Abbruch und Entsorgung. Das liegt unter anderem auch daran, dass in den vergangenen Jahren viele Umweltauflagen diese Kosten deutlich verteuert haben und diese mittlerweile einen erheblichen Anteil an den Schadenskosten in der Industrieversicherung ausmachen können.

Hohe Aufwendungen werden verursacht durch den Abbruch der geschädigten Gebäudesubstanz, insbesondere aber durch eine möglicherweise erforderliche Sanierung brandbedingt verseuchten Erdbodens, durch Entsorgung oder Lagerung.

Im Kern steht bei der Feuerversicherung die Wiederherstellung der Betriebsstätten im Vordergrund. Voraussetzung hierfür ist, dass die  Fläche für ihre bisherige Bestimmung wieder brauchbar gemacht wird. Daher besteht grundsätzlich innerhalb der vereinbarten Versicherungssumme ein Anspruch auf Ersatz aller hierfür erforderlichen Kosten, inklusive notwendiger Aufräumungs- und Abbruchkosten.

Grund genug, uns einmal ausführlich damit zu beschäftigen, damit Sie – im Fall der Fälle – für mögliche Probleme gewappnet sind.

Um welche Kosten geht es?

Neben den originären Kosten, um etwa die Gebäude wieder aufzubauen oder um Maschinen und Einrichtungsgegenstände wieder zu beschaffen,  können erhebliche Kosten für die Aufräumung des Schadenorts, für den Abbruch der unmittelbar oder auch mittelbar betroffenen Gebäudeteile, für die Entsorgung von Schutt und kontaminierten Resten entstehen.

Vom Grundsatz her fallen diese Kosten an, damit überhaupt die Voraussetzungen für Reparatur oder Wiederherstellung geschaffen werden können. Hierin liegt auch der Sinn, dass diese Kosten bei der industriellen Feuerversicherung mitversichert sind.

Beispielhaft können die folgenden Kosten genannt werden:

Abbruchkosten

Hierbei handelt es sich um Kosten, die für die Demontage und für das Einreißen von verbliebenen Gebäudeteilen und maschinellen Einrichtungen anfallen.

Zu berücksichtigen wären etwa Lohnkosten, Kosten für die Einrichtung und Umzäunung der Baustelle, Gerüste, Baustrom, Einsatz von Maschinen und Geräten, Umweltschutzmaßnahmen.

Kosten für Aufräummaßnahmen

Mit den eigentlichen Aufräumarbeiten werden üblicherweise professionelle Brandschadensanierer beauftragt. Diese übernehmen auch das Separieren und Entsorgen der Brandabfälle. Es ist mit Personalkosten, Materialkosten und Transportkosten zu kalkulieren.

Weiterhin sind unter Umständen Kosten für Personenschutzmaßnahmen und für die Absicherung der Brandstätte erforderlich.

Sonstige Entsorgungskosten

Darüber hinaus kann es in manchen Fällen notwendig werden, den Brandschutt zwischenzulagern, falls behördliche Genehmigungen auf sich warten lassen (was durchaus dauern kann).

Neben Deponiekosten oder Müllverbrennungskosten können auch Kosten für Entsorgungsnachweise, für Abfallanalysen und ähnliches anfallen.

Kosten für die Dekontamination des Erdreiches

Um Bodenkontaminationen, die im Zusammenhang mit dem Brandschaden eingetreten sind, zu entfernen, können bestimmte, oftmals ebenfalls kostspielige Maßnahmen notwendig werden. Hierzu zählen die Entfernung von brandbedingt in den Boden eingedrungener fester oder flüssiger Giftstoffe, die Bewegung von Erdmassen – sowohl unterirdisch als auch oberirdisch – oder der Aushub des kontaminierten Erdreichs.

So weit, so gut und nachvollziehbar. Wo aber liegen nun die Knackpunkte und wie kommen diese zustande?

Knackpunkte bei der Erstattung von Kosten für Abbruch, Aufräumung und Entsorgung in der Sach- und Industrieversicherung

Punkt 1: Strittige Begriffsdefinitionen

Aufräumen

Viele Versicherer legen die Begriffe „aufräumen“ und „Schadenstätte“ vor allem in Bezug auf Umweltschäden eng aus. Für manche Versicherer ist mit „Aufräumen“ nur gemeint, was über der Erdoberfläche stattfindet. Hier lohnt sich ein Blick in die Versicherungsbedingungen oder eine Nachfrage beim Versicherer, was der Begriff innerhalb des eigenen Versicherungsvertrages umfasst.

Schadenstätte

Grundsätzlich sind Aufräum- und Abbrucharbeiten an der Schadenstätte umfasst. Allerdings sind damit die Maßnahmen nicht auf das versicherte Gebäude bzw. den vertraglich vereinbarten Versicherungsort beschränkt. Auch Maßnahmen des versicherten Unternehmens auf angrenzenden Grundstücken können erfasst sein. Sind Umweltschäden eingetreten ist es sogar denkbar, dass Maßnahmen auch an weiter entfernteren Orten notwendig werden. Hier lohnt ebenfalls ein Blick in die Vertragsbedingungen, da teilweise Beschränkungen und engere Auslegungen vorkommen.

Punkt 2: Aufräumungskosten im versicherungstechnischen Sinne

Nicht alle Aufräumkosten sind auch im versicherungstechnischen Sinne Aufräumkosten. Oft gibt es Probleme bei der Abgrenzung oder Überschneidung mit den Hauptpositionen.

Exkurs: Abgrenzung der Positionen

Die Feuer-Industrieversicherung versichert für gewöhnlich nicht nur Schäden an den versicherten Sachen selbst. Es ist üblich,  einzelne, definierte Vermögensfolgeschäden mitzuversichern.

Hierzu gehören die Aufräum- und Abbruch- und Entsorgungskosten. Daneben sind beispielsweise auch Bewegungs- und Schutzkosten sowie Wiederherstellungskosten von Geschäftsunterlagen mitversichert.

Soweit die Bedingungswerke der Sachversicherung vorsehen, dass diese Kosten inkludiert sind, wird meist eine gesonderte Position mit einer Versicherungssumme auf erstes Risiko gebildet.

Bei Versicherungen auf erstes Risiko besteht Versicherungsschutz bis zur vereinbarten Versicherungssumme. Eine Leistungskürzung wegen Unterversicherung ist dem Versicherer also für diese Kosten nicht gegeben. Darin liegt der Unterschied zur Vollwertversicherung: Bei dieser muss die Versicherungssumme den Versicherungswerten entsprechen, sonst liegt Unter- oder Überversicherung vor.

Praxistipp: Was Unter- oder Überversicherung bedeutet, haben wir in unserem Beitrag über die richtige Versicherungssumme aufgeschrieben.

Deshalb kann die genaue Zuordnung zu den Positionen sehr wichtig werden – vor allem wenn bei den Hauptpositionen Unterversicherung droht.

Im Falle eines Totalschaden sind die Kosten für die Beseitigung der Reste, fürs Aufräumen und Entsorgen der Brandrückstände Aufräumkosten.

Praxistipp: Lassen Sie sich im Vorfeld von den Abbruchunternehmen Angebote über die Entsorgungskosten geben – und kontrollieren Sie diese dann über die Wiegescheine. Die Unternehmen müssen sich für die Entsorgung vor Ort bei den Deponien Wiegescheine bestätigen lassen. Und die haben zum Teil sehr unterschiedliche Preise für die Entsorgung einzelner Güter. Das gleiche gilt für Schrotterlöse – häufig kann noch einiges an Metallen etc. aus der Schadenstelle „gerettet“ werden. Lassen Sie sich pro Tonne Metallschrott Angebote machen und kontrollieren Sie dies über die Wiegescheine der Abnehmer.

Anders sieht es hingegen bei Teilschäden aus: Diese können nämlich auch Reparaturkosten sein, denn der Abbruch und die Beseitigung nicht mehr verwendbarer Teile etwa bei einer reparaturfähigen Maschine gehört zu den Reparaturkosten. Das gilt sowohl für stehengebliebene Teile von Gebäuden als auch von Maschinen.

Praxistipp: Bei Unterversicherung oder bei unzureichender Versicherungssumme für Aufräumkosten kann also die Zuordnung entscheidend sein.

In der Praxis ist diese Unterscheidung oft schwer zu treffen, vor allem wenn Profis mit der Schadenbeseitung betraut werden, denn diese werden beim Aufräumen selten auf eine Differenzierung achten können. Und dem Brandschutt sieht man die Zugehörigkeit leider üblicherweise auch nicht an.

Versicherer rechnen gern mit Reparaturaufwand, eine Differenzierung kann aber durchaus Sinn ergeben, vor allem wenn es bei der Versicherungssumme eng wird.

Praxistipp: Mit Totalschaden ist nicht nur ein technischer, sondern auch ein wirtschaftlicher gemeint.

Punkt 3: Aufräumungskosten, die nicht versicherte Sachen betreffen

Deckung besteht in der Industrieversicherung regelmäßig auch für das Aufräumen von Trümmern, die von versicherten und nicht versicherten Sachen herrühren.

Denken Sie an herumfliegende Trümmerteile des Nachbargebäudes, die auf das versicherte Grundstück stürzen. Versichert sind auch die Kosten des Abtransports der Trümmer, obwohl sie vom Nachbargebäude stammen und nicht zu den versicherten Sachen gehören.

Eine Beschränkung dergestalt, dass sich Aufräumungs- und Abbruchkosten nur auf versicherte Sachen selbst beziehen müssten, gilt in der Industrieversicherung üblicherweise nicht.

Bei der Bemessung des Versicherungsschutzes sollte daher auch das Schadenspotential fremder Sachen bedacht werden. Getreu dem Motto:

Risiken sind dann gefährlich, wenn man sie nicht kennt.

Praxistipp: Zum Beispiel sollten Vermieter, die an Gewerbetreibende vermieten, bei der Position Aufräumkosten an möglicherweise höhere Kosten denken, der durch den Brandschutt der Mietersachen entstehen kann.

Punkt 4: Kosten für Dekontamination von Erdreich

Das Erdreich ist üblicherweise nicht Gegenstand der Feuer- Industrieversicherung und somit ist eine Kontamination grundsätzlich nicht als Schaden ersetzbar.

Die Feuerversicherung kommt aber – üblicherweise – eben auch für bestimmte Vermögensfolgeschäden auf, wozu neben den Aufräumungs-, Abbruch und Entsorgungskosten auch die Rettungskosten gehören.

Kontaminationen können einerseits Folge von Rettungsmaßnahmen sein, etwa wenn durch das Löschwasser umweltschädliche Stoffe, die durch den Brand freigeworden sind, in den Boden geschwemmt werden.

Die Beseitigung von Bodenkontaminationen, die direkt durch das Schadensereignis eingetreten sind, sind in bestimmtem Umfang durch die Pauschalpostion gedeckt.

Auch hier kann es zu wichtigen Zuordnungsfragen kommen. Zum Beispiel, wenn bereits während der Brandbekämpfung Maßnahmen ergriffen werden, damit Löschwasser nicht das Erdreich kontaminiert oder in die Abwasserkanalisation gelangt (etwa durch Absperrung der Kanäle oder provisorische Löschwasserauffangvorrichtungen).

Diese Kosten sind üblicherweise Rettungskosten und werden daher den Hauptpositionen zugerechnet.

Punkt 5: Eigene Leistungen des Versicherungsnehmers

Fremdleistungen abzurechnen ist meistens einfach: Der Rechnungsbetrag ist maßgebend für die Entschädigung. Inwieweit das versicherte Unternehmen jedoch Ersatz für Eigenleistungen verlangen kann, kann im Einzelnen streitig werden (Und wir kennen eigentlich kein Unternehmer, der nach einem Brand nicht zusammen mit seinen Leuten die Ärmel hochkrempelt).

Neben dem „Ärmel hochkrempeln“ kommen Eigenleistungen auch in Form von Verwaltungsarbeiten vor.

Grundsätzlich darf ein gewisses Maß an unentgeltlichen persönlichen Tätigkeiten des Versicherungsnehmers erwartet werden. Handelt es sich jedoch um Tätigkeiten, für die üblicherweise Fremdleistungen in Anspruch genommen werden, darf Schadensübernahme durch den Industrieversicherer beansprucht werden.

Einige Sachversicherer bezweifeln jedoch dieses Recht, andere schließen es ausdrücklich aus.

Der Bundesgerichtshof hat hierzu im Jahr 2013 entschieden, dass für persönliche Tätigkeiten des Versicherungsnehmers unter der Bedingungen, dass Fremdvergabe üblich ist, eine Schadenberechnung in Höhe der geschätzten Fremdrechnung rechtens ist.

Punkt 6: Fiktive Aufräum- und Abbruchkosten

Das genannte Urteil aus dem Jahr 2013 hat ebenfalls Klarheit in die Frage gebracht, ob nur bereits tatsächlich entstandene Kosten entschädigungsfähig sind.

Der BGH urteilte, dass die Kosten der notwendigen Aufräumungs- und Abbruchmaßnahmen entschädigungsfähig sind, und zwar ohne Rücksicht darauf,  ob diese tatsächlich bereits angefallen sind.

Inzwischen gibt es in den Sachversicherungsbedingungen entsprechend einschränkte Zusätze. Nun wird trefflich darüber gestritten, ob das versicherte Unternehmen mit den Aufwendungen nur nicht in Vorleistung treten muss.

Hierbei handelt es sich um juristisch komplexe Fragen und es ist daher nicht unser Schreibtisch. Wichtig ist uns, dass Sie als Unternehmer auf diese Fragen vorbereitet sind. Für eine fundierte juristische Würdigung des Themas empfehlen wir Ihnen den Beitrag Aufräum- und Abbruchmaßnahmen im Schadenfall – Welche Kosten trägt der Versicherer? den die Wilhelm Rechtsanwaltskanzlei veröffentlicht hat.

Wie hoch sind diese Kosten im Einzelnen?

Eigentlich sind diese Kosten im Vorfeld nicht zu kalkulieren, da jeder Brand und jeder Schaden anders sind. Außerdem bestehen regionale Unterschiede bei den Entsorgungsunternehmen, Mülldeponien und Verbrennungsanlagen und auch deren Preise haben sich in den vergangenen Monaten äußerst dynamisch entwickelt.

In älteren Feuer-Industrieversicherungsverträgen findet man noch Limite in Höhe von drei Prozent der Versicherungssumme. Mittlerweile sind eher 10 % bis unlimitiert gängig.

Als Faustformel für den eigenen Betrieb sollte man sich an folgenden Limiten orientieren:

  • 8 % bis 10 % für Betriebe mit niedrigerer Brandlast und in denen Kunststoffe, umweltgefährdende und toxische Stoffe und Flüssigkeiten in nur geringem Umfang vorhanden sind.
  • 10 % bis 15 % bei Betrieben, deren Betriebsart eine größere Schadensausbruchwahrscheinlichkeit erwarten lässt und deren Brandrückstände im Falle eines Brandes problematisch sein könnten (also Verpackungen aus Pappe, geschäumte Kunststoffe). 10 % bis 15 % gilt auch für Betriebe, in denen sich Kunststoffe (insbesondere PVC-Verkabelungen und Dämmstoffe), umweltgefährdende oder toxische Stoffe/Flüssigkeiten in größerem Umfang befinden.
  • 20 % und mehr sollte für äußerst gefährdete Betriebe, wie etwa Recycling-Unternehmen oder Betriebsstätten mit einer Vielzahl nicht definierter Produkte, Stoffe oder Flüssigkeiten vorgesehen werden.

Die vorstehenden Zahlen erhöhen sich noch, wenn sich auf dem Betriebsgrundstück hohe fremde Sachwerte befinden oder wenn Kontaminationen von Erdreich zu befürchten sind, sofern diese Position nicht über separate Klauseln versichert sind.

Problematisch sind auch Brandschäden bei lebensmittelverarbeitenden Betrieben. Hier müssen nach Möglichkeit die Abbrucharbeiten so schnell wie möglich beginnen – was die Kosten gern nach oben treibt – da sich im schlimmsten Fall sonst ein reges Tierleben entwickeln kann. Dies führt dann regelmäßig zu Ungemach mit den Nachbarn – vor allem in den Sommermonaten!

Fazit:

Hohe Kosten drohen im Brandfall durch Aufräumarbeiten, durch den Abbruch der geschädigten Gebäudesubstanz, durch die möglicherweise erforderliche Sanierung von verseuchten Erdböden inklusive der Entsorgung und Lagerung.

Der Anspruch auf Erstattung dieser Kosten besteht gemäß der vereinbarten Versicherungssummen, wobei die Zuordnung der Kosten vor allem im Fall knapp bemessener Versicherungssummen wichtig werden kann.

Die vereinbarten Versicherungsbedingungen können durchaus sehr unterschiedlich sein, und ein rechtzeitiger Blick in die eigenen Vertragsunterlagen der Industrieversicherungs-Police mag auch hier vor manch böser Überraschung schützen.

Ziel unserer Ausführungen war es, Sie für die vielfältigen Probleme, die mit Abbruch, Aufräumen und Entsorgen nach einem Brand aufkommen können, zu sensibilisieren. So können Sie sich rechtzeitig mit Ihrem Makler, Ihrem Rechtsanwalt oder Sachverständigen beraten.

Praxistipp: Unsere Telefonnummer lautet +49 40 602 13 33.

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Philip Merker Sachverständiger für Maschinenbewertungen

Philip Merker, MBA

Zertifizierter Sachverständiger für die Bewertung von Maschinen und technischen Anlagen (DIN EN ISO / IEC 17024)

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