Wie Sie eine Schadenaufstellung für die Feuerversicherung erstellen

31. Juli 2023 von P. Merker

Neulich rief ein alter Freund meines Vaters an, der wiederum soeben einen aufgeregten Anruf seines Bruders erhalten hatte.

Was war geschehen?

In der KfZ-Werkstatt des Bruders unseres Freundes – in der vor allem Oldtimer repariert werden – hat es gebrannt. Vernichtet wurden unter anderem seltenes Sattlerwerkzeug, Werkzeuge für Carrosseriespengler und jede Menge englischer und deutscher Spezialwerkzeuge. Außerdem eine Vielzahl an alten Schaltern, Kontrollgeräten und alten Ersatzteilen.

Er stand völlig unter Schock und hatte nun die schwierige Aufgabe, die Werkzeuge und Geräte, die er in 40 Jahren erworben hatte, zu kategorisieren und aufzulisten.

Uns war völlig klar, dass die Lage ohne freundschaftliche und professionelle Unterstützung -und zwar von Anfang an – nur noch schlimmer wird.

In einer solchen Situation kann sachverständige Hilfe der entscheidende Unterschied zwischen Neustart und Albtraum sein. Glauben Sie mir: Es gibt keinen Grund, Versicherungs-Angelegenheiten allein zu regeln!

 Unabhängig davon, ob Sie sich für einen eigenen Sachverständigen entscheiden (der üblicherweise „mitversichert“ ist) oder nicht, seien Sie klug und suchen Sie sich jemanden, der Ihnen hilft.

Das kann sowohl ein Freund oder ein Familienmitglied, ein spezialisierter Sachverständiger oder ein guter Versicherungsmakler sein. Sie können sogar jemanden als Assistenz bezahlen, dass er Ihnen hilft, Ihre Unterlagen zu ordnen und die Einreichung beim Versicherer vorzubereiten.

Entscheidend dabei ist, dass Ihr Helfer nicht selbst von dem Schaden betroffen ist und daher mit kühlem Kopf und der nötigen Distanz agiert, vor allem, wenn Sie selber müde, entmutigt oder überwältigt sind.

Tipp 1: Erstellen Sie eine fundierte Vermögensliste als Basis für die Schadenaufstellung

Der wichtigste Schritt um Ihre Ersatzansprüche geltend zu machen, besteht darin, Ihrer Feuerversicherung eine vollständige und fundierte Liste der Vermögenswerte vorzulegen.

Im Idealfall verfügen Sie über Fotos, Ausrüstungslisten und Wartungsprotokolle, die Ihre Vermögensliste untermauern. Im allerbesten Fall haben Sie ein regelmäßig aktualisiertes Versicherungswertgutachten, das in Verbindung mit der Versicherungspolice erstellt wurde, und als Grundlage für die Schadenaufstellung verwendet werden kann.

Nehmen wir einmal an, dass es kein Versicherungswertgutachen gibt. Und alle Unterlagen, die Sie möglicherweise über die zerstörten Geräte hatten, gingen bei dem Brand ebenfalls verloren.

Was nun?

Sobald Sie die Schadenstelle betreten dürfen, machen Sie so viele Fotos wie möglich! Bitten Sie auch die Sachverständigen vor Ort um Ihre Fotos. Erstellen Sie so schnell wie irgend möglich eine detaillierte Liste aus dem Gedächtnis und anhand der verlorenen und beschädigten Geräte, die Sie noch identifizieren können.

Oftmals werden die verbrannten Trümmer von verschiedenen Stellen (Versicherungsgesellschaften, Gemeinden usw.) so schnell wie möglich beseitigt. Das kann aus verschiedenen praktischen Gründen notwendig sein, aber: Sobald der Schutt weg ist, werden Sie sich kaum noch erinnern, was da lag.

Auf gar keinen Fall prokrastinieren!

In dem geschilderten Werkstattbrand verbrachten wir einen ganzen Tag damit, eine Liste anhand der Fotos zu erstellen. Der Prozess war für den Bruder unseres Freundes extrem stressig und herausfordernd und allein hätte er sich – wie er uns versicherte – viel zu lange davor gedrückt.

Tipp 2: Ziehen Sie Mitarbeiter und Geschäftspartner hinzu.

Nehmen wir Ihre Mitarbeiter und Angestellten: Oft erinnern sich diese an Details, Kleinmaschinen und Vorräte, an die Sie sich nicht mehr erinnern. Denken Sie dabei nicht nur an die Mitarbeiter in der Produktion oder in den Werkstätten, sondern auch an die Buchhaltung.

 Sprechen Sie mit den Unternehmen, die für die Wartung und Instandhaltung Ihrer Anlagen zuständig sind.

Kontaktieren Sie Ihre Lieferanten und die Unternehmen, von denen Sie Anlagen und Maschinen gekauft haben.

Auch sie werden sich womöglich an Dinge und Details erinnern, die Sie vergessen haben. Im Falle von Dienstleistungs- oder Vertriebsunternehmen können diese Ihnen vielleicht auch Belege überlassen. Achten Sie darauf, so viele Details wie möglich zu sammeln.

Tipp 3: Auch Ihre Anlagenbuchhaltung ist ein guter Ausgangspunkt.

Aber: Viele Werkzeuge, Betriebsmittel und andere Posten sind oft nicht in der Anlagenbuchhaltung aufgeführt. Dies war auch bei diesem Schaden der Fall.  Viele Werkzeuge waren bar auf Oldtimermessen gekauft worden und waren nicht in der Anlagenbuchhaltung enthalten.

Ein weiteres Problem mit der Anlagenbuchhaltung ist, dass diese oft nicht so detailliert ist, wie es für die Schadenaufstellung erforderlich ist: Was glauben Sie, wie gut der Posten „Richtturm“ funktioniert? Eine viel bessere Beschreibung wäre „Rahmen-Zugturm-Gestell, 2-teilig, Fbkt. Blackhawk Mod. Maxi Tower HD 700 A, kompl. mit Ankertöpfen und Verlängerung, Baujahr 2021.“

Erstellen Sie in diesem Sinne nach bestem Wissen und Gewissen eine Liste mit möglichst detaillierten Angaben zu so vielen Punkten und Details, wie sie erinnern können.

Lesen Sie hierzu auch unseren Artikel: „Warum die Anlagenbuchhaltung kein zuverlässiges Instrument für die Ermittlung von Versicherungswerten ist.“

Tipp 4: Prüfen Sie digitale Archive.

Wenn Ihr Unternehmen digitale Unterlagen aufbewahrt hat, können Sie vielleicht über eine Cloud-Sicherung auf viele der benötigten Informationen zugreifen.

Tipp 5: Entscheiden Sie über  Reparaturen.

Gehen Sie mit dem Sachverständigen die Maschinen und Anlagen durch, die eventuell zu reparieren sind. Treffen Sie zusammen die Entscheidung, welche Maschinen zur Reparatur gebracht werden sollen und bei welchen Anlagen dies nicht mehr lohnt. So sind Sie immer auf der sicheren Seite!

Lassen Sie sich auch in Absprache mit dem Sachverständigen Angebote für die Reparaturen geben, im Zweifelsfall mehrere! Sollte es dabei zeitkritische Arbeiten geben, muss das in den Entscheidungsprozess für die Auftragserteilung einfließen.

Tipp 6: Halten Sie den Schadensfall so lange offen wie nötig.

Besonders wichtig ist, den Schadensfall so lange offen zu halten, bis Sie sicher sind, dass Sie sich an alle verlustigen Gegenstände erinnert haben. Denken Sie daran, dass ein Brandschaden traumatisch ist. Stellen Sie sich darauf ein, dass Sie nicht so klar denken können wie sonst.

Das heißt: Schließen Sie Ihren Anspruch nicht vorzeitig ab!

Bezeichnen Sie die erste Schadenaufstellung für die Feuerversicherung und die Sachverständigen als „Vorläufig“, denn Sie werden in der Aufregung Dinge vergessen.

Gehen Sie mit dem Sachverständigen Ihre Schadenaufstellung en Detail durch. Denn wenn Ihnen dann ein halbes Jahr nach der Regulierung noch etwas einfällt, ist es in der Regel zu spät.

Also: Auch wenn es gefühlt pressiert, lassen Sie sich bei der Schadenaufstellung Zeit.

Tipp 7: Machen Sie gründlich und penibel Notizen und Aufzeichnungen.

Der Umgang mit der Versicherungsgesellschaft ist ein komplizierter Prozess, der unzählige Anrufe, E-Mails, Briefe und Dokumente umfasst.

Verfolgen Sie den gesamten Schriftverkehr und bewahren Sie eine Kopie aller Dokumente und Versandbelege auf. Machen Sie sich Notizen, einschließlich Datum und Uhrzeit, zu jedem Telefonat und jedem persönlichen Treffen. Differenzieren Sie dabei nach verschiedenen Arten von Korrespondenz: Notizen zu Telefonaten, E-Mails, Rechnungen, Genehmigungen, Verträge für Reparaturen und Versicherungsformulare jeweils separat.

Denken Sie daran, immer alle Dokumente im Original aufzubewahren. Wenn Ihre Versicherung einen Nachweis für ein Dokument verlangt, machen Sie ihr eine Kopie, behalten Sie aber das Original. Je besser Sie organisiert sind, desto besser vermeiden Sie Missverständnisse.

Während ein Brand für Sie eine absolute Ausnahmesituation darstellt, hat Ihr Feuerversicherer jede Menge Routine.

Richten Sie ein spezielles Unterkonto bei Ihrer Bank ein, auf dem alle Entschädigungsleistungen und schadenspezifischen Beschaffungen landen, denn auch das erleichtert es Ihnen, die Kontrolle über das Geschehen zu behalten.

Tipp 8: Spezielle sachverständige Annahmen helfen bei Schätzungen.

In dem von uns geschilderten Brandschaden fehlte es vielfach an geeigneten Aufzeichnungen über die verlorenen Vermögensgegenstände. In solchen Fällen, in denen die Einrichtungsgegenstände nicht inspiziert oder anderweitig vollständig verifiziert werden können, sind plausible und spezifische Annahmen eines der wichtigsten Werkzeuge des Sachverständigen.

Die erste spezifische Annahme ist, dass die Vermögenswerte tatsächlich existierten und dass sie eine gewisse Ähnlichkeit mit der vom Antragsteller vorgelegten Schadenaufstellung aufweisen. Es ist wichtig, zu wissen, dass selbst eine begrenzte Liste von Vermögenswerten, wie die, die wir für den bereits erwähnten Freund erstellt haben, besser ist als gar keine Liste.

Bei fehlenden Informationen oder Nachweisen, insbesondere bei dem aktuellen Bestand von Ersatzteilen, wie im vorliegenden Fall, müssen zum Teil auch Schätzungen vorgenommen werden. Diese können vom Sachverständigen plausibilisiert werden z.B. durch vorliegende Reparaturaufträge, die ohne bestimmte Werkzeuge gar nicht durchführbar gewesen wären.  Oder denken Sie an Ersatzteilbestände, ohne die eine Werkstatt nicht in der Lage wäre, zu arbeiten.

In Anbetracht der Situation, des Standorts und des Unternehmens selbst nehmen wir die bestmögliche Schätzung hinsichtlich der Beschreibung und des Zustands der Vermögenswerte vor.

Tipp 9: Stellen Sie sich die gleichen Fragen, wie sie ein Sachverständiger stellt.

Die Fragen, die wir als Sachverständige stellen, um zu diesen Schätzungen zu gelangen, helfen auch Ihnen bei Schadenaufstellung:

  • Wurden die Vermögenswerte neu gekauft?
  • Wurden sie gebraucht gekauft?
  • Wie stark wurden sie abgenutzt?
  • Was geht aus den Wartungsunterlagen hervor?
  • Wenn Geräte den Brand überlebt haben, in welchem Zustand sind sie?
  • Wie lange waren die Geräte in Gebrauch und unter welchen Bedingungen?

Wenn Sie Fragen zur Schadenaufstellung für die Feuerversicherung oder zur Erstellung eines Versicherungswertgutachtens haben, rufen Sie uns an (Telefon 040 602 13 33) oder verwenden Sie unser Kontaktformular.

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Philip Merker Sachverständiger für Maschinenbewertungen

Philip Merker, MBA

Zertifizierter Sachverständiger für die Bewertung von Maschinen und technischen Anlagen (DIN EN ISO / IEC 17024)

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