Die Wertzuschlagsklausel in der industriellen Sachversicherung: Alles was Sie wissen müssen

25. Februar 2023 von K. Ulmer

Wertzuschlagsklauseln in der Sachversicherung für Industrie & Gewerbe sind eine wirklich feine Sache, denn diese

  • bieten einen guten Schutz vor Unterversicherung
  • sind eine Art Vorsorge oder Puffer in Bezug auf künftige Preisentwicklungen
  • passen automatisch ohne besondere Vereinbarung die Versicherungssumme an Inflation an, auch unterjährig
  • erlauben eine einfache und kostengünstige Pflege der Versicherungssumme

Damit sie ihre volle Wirkung entfalten können, müssen sie richtig verstanden werden. Vor allem aber müssen die entsprechenden Wertzuschläge richtig berechnet und angewendet werden.

Darum soll es heute gehen.

Was ist eine Wertzuschlagsklausel?

Wertzuschlagsklauseln werden sowohl in der Gebäudeversicherung als auch in der betrieblichen Inhaltsversicherung – also bei der Versicherung der technischen und kaufmännischen Betriebseinrichtung – vereinbart.

Die Grundidee ist, die Versicherungssumme jährlich mit einem Wertzuschlag an die aktuellen Preisentwicklungen anzupassen, so dass nicht jedes Jahr auf’s neue die aktuellen Versicherungswerte ermittelt werden müssen. (Auch wenn wir grundsätzlich nichts dagegen hätten – wirtschaftlich wäre es totaler Quatsch!)

Zweck der Wertzuschlagsklausel ist es also, dass trotz gestiegener Versicherungswerte infolge von Preissteigerung der volle Schadensausgleich gewährleistet ist.

Kurz: Vermeidung von Unterversicherung.

Achtung! Die Klauseln schützen aber nur, wenn zu Beginn des Versicherungsjahres sowohl die Versicherungssumme als auch der Wertzuschlag richtig bemessen waren!

Exkurs: Die richtige Versicherungssumme

Ob die Versicherungssumme korrekt war, wird üblicherweise erst festgestellt, wenn es zum Schaden kommt. Dabei gilt:  Die Verantwortung für die Versicherungssumme liegt beim Versicherungsnehmer!

Alles zum Thema korrekte Versicherungssumme lesen Sie hier. Eine Checkliste, mit deren Hilfe Sie erkennen können, ob Sie Handlungsbedarf haben, finden Sie hier.

Wertzuschlagsklauseln gibt es in zwei verschiedenen Ausprägungen:

  • Wertzuschlag ohne Einschluss von Bestandserhöhungen
  • Wertzuschlag mit Einschluss von Bestandserhöhungen

Wenn die Bestandserhöhungen mit eingeschlossen sind, so kommt eine dritte Bedingung hinzu: Die Neuanschaffungen (Bestandserhöhungen) müssen rechtzeitig dem Versicherer gemeldet werden. Macht Sinn.

Wichtig zu wissen: Viele Versicherer haben in ihren Versicherungsbedingungen vereinbart, dass die Haftung sogar den doppelten Wertzuschlag umfasst, wenn die Versicherungssumme und die Wertzuschläge von einem Sachverständigen ermittelt wurden![1] Also doppelte Sicherheit ohne Prämienzuschlag!

[1] siehe zum Beispiel „Klauseln für die Feuerversicherung“ des Gesamtverbands der Versicherer GDV oder HDI „Baustein Wertzuschlag“

Wie werden die Wertzuschläge berechnet?

Von der Grundsumme zur Versicherungssumme

Zunächst werden die aktuellen Versicherungswerte auf ein einheitliches Basisjahr umgerechnet. Hierzu werden Indizes des Statistischen Bundesamtes verwendet.

Bei den aktuellen Versicherungswerten kann es sich entweder um

  • die Anschaffungskosten einer Anlage im Jahr ihrer Anschaffung oder
  • um die zu einem bestimmten Stichtag ermittelten Neuwerte des Maschinenparks (zum Beispiel per Versicherungswertgutachten) handeln.

Achtung! Die Anschaffungskosten können jedoch oft nicht ohne Weiteres als Versicherungswert übernommen werden, zum Beispiel wenn hohe Preisnachlässe erzielt wurden. Das passiert etwa, wenn Sie Maschinen auf Messen kaufen oder auf Auktionen ersteigern.

In einem Sachverständigengutachten werden die Neuwerte üblicherweise unabhängig von den historischen Anschaffungskosten ermittelt.

Das einheitliche Basisjahr, auf welches die Versicherungswerte bezogen werden, wird vom Versicherer vorgegeben. Typisch sind 1970 oder 1980, aber auch andere Basisjahre begegnen uns. Bei Gebäuden ist das Jahr 1914 verbreitet.

Das Ergebnis ist die sogenannte Grundsumme. Diese drückt aus, was die Maschinen, Einrichtungen und Betriebsgebäude im Basisjahr gekostet hätten. Unterschiedliche Anschaffungszeitpunkte werden somit auf ein einheitliches Jahr normiert.

Exkurs Basisjahre:

Es gibt verschiedene Gründe für die Wahl der Basisjahre. Beim Basisjahr 1914 für Gebäude waren beispielsweise drei Kriterien gegeben: Stabile Baupreise, eine goldgedeckte Währung und das Fehlen von außergewöhnlichen Baupreissteigerungen. Beim Jahr 1970 für die technische Betriebsausstattung gab es – abgesehen von der Inflation – relativ stabile Preise für Maschinen.

Wir geben ein Beispiel:

Sie kaufen in diesem Jahr eine Maschine für 10 Mio. EUR. Gemäß den Indexzahlen des Statistischen Bundesamtes hätte diese Maschine im Jahr 1970 (Basisjahr) 2.061.856 EUR gekostet. Das ist die Grundsumme.

Die Differenz zwischen 1970 und heute beträgt also 7.938.144 EUR oder 385 % bezogen auf die Grundsumme. Das ist der Wertzuschlag.

Je nach Preisentwicklung verändert sich der Preisindex im darauffolgenden Jahr und damit der Wertzuschlag, nehmen wir an auf 390 %. Dann beträgt die Versicherungssumme im folgenden Jahr

2.061.856 EUR (Grundsumme) x 390 % = 8.041.238,40 EUR (Wertzuschlag)

     2.061.856 EUR (Grundsumme)
+  8.041.238,40 (Wertzuschlag)
= 10.103.094,40 EUR (Versicherungssumme)

Diese Summe (10,1 Mio. EUR) müsste man also im Jahr nach der Anschaffung aufwenden, um eine vergleichbare Maschine zu kaufen.

Wie Sie sehen, hängt der Wertzuschlag unmittelbar vom verwendeten Preisindex ab und nun kommen wir auch zu des Pudels Kern:

Welchen Index nehme ich?

Es gibt es einen einfachen Weg und einen richtigen Weg:

Der einfache Weg – Anwendung eines Mischindex

Wenn Sie es einfach wollen, nehmen Sie

  • für die Betriebsgebäude: Indizes für gewerbliche Betriebsgebäude (auf die wir hier mangels Expertise nicht weiter eingehen werden)
  • für die Betriebseinrichtung den Index „Gewerbliche Arbeitsmaschinen“

Beim Index „Gewerbliche Arbeitsmaschinen“ handelt sich um einen Mischindex, der sich aus den Preisentwicklungen für verschiedenste Maschinentypen und Betriebsvorrichtungen zusammensetzt. Er spiegelt also eine durchschnittliche Wertentwicklung wieder.

Achtung: Seit Ende 2022 werden die uns wohl vertrauten Langen Reihen, die die Indizes enthielten, abgelöst. Die bekannte Fachserie 17 Reihe 2 lfd. Nr. 413, die den oben genannten Mischindex für gewerbliche Arbeitsmaschinen enthielt, ist jetzt zum Beispiel durch diesen Statistischen Bericht ersetzt worden. Jaaa, auch wir sind noch in der Orientierungsphase …

Die einfache Anwendung ist aber auch der größte Nachteil, denn:

Die Preisentwicklung für Ihren Maschinenpark kann durchaus erheblich von der durchschnittlichen Preisentwicklung abweichen!

Bei Anwendung eines Mischindexes kann es damit im Laufe der Zeit zu erheblicher Unterversicherung (Risiko!) oder Überversicherung (Prämienalarm!) kommen.

In vielen Fällen ist es daher ratsam, einen individuellen Preisindex zu ermitteln, auf dessen Basis dann individuelle Wertzuschläge berechnet werden.

Der richtige Weg – Ermittlung eines individuellen Indexes

Um die Wertentwicklung des eigenen Maschinenparks realistisch abzubilden, werden Anlagen, Maschinenbauteile oder Produktionsstandorte – je nach den spezifischen Gegebenheiten in einem Betrieb – gewichtet.

Schauen Sie sich die folgenden Beispiele an, die das Problem gut verdeutlichen.

(Die Beispiele zeigen die Preisentwicklung seit 2015, weil ich ein wenig zu faul war, diese auf 1970 oder 1980 umzurechnen. Aber der Effekt – wie die Preise auseinander driften – ist trotzdem sehr deutlich zu sehen).

Preisentwicklung von Drehmaschinen

Preisentwicklung von Drehmaschinen

Während die konventionelle Drehmaschine eine Wertentwicklung seit 2015 von 120 % hatte – also verhältnismäßig nahe am Mischindex (118 %) , findet sich die Horizontal-Drehmaschine deutlich darüber (130 %) und – am anderen Ende des Spektrums – Rundschleifmaschinen mit 111 % deutlich darunter.

Noch ein Beispiel, in welchem wir

  • Gewerbliche Geschirrspülmaschinen (143 %), wie zum Beispiel eine Bartscher Durchschub-Spülmaschine DS 2501eco, die in Betriebskantinen und Hotelküchen benutzt wird
  • Maschinen für die Land- und Forstwirtschaft 134 %, zum Beispiel ein Mähdrescher Claas Trion 700
  • Elektronische Datenverarbeitungsgeräte (103 %)

mit dem Mischindex vergleichen:

Preisentwicklung von Betriebseinrichtungen Im Vergleich

Preisentwicklung von Betriebseinrichtungen im Vergleich

Fun fact: Elektronische Datenverarbeitungsgeräte (Computer! Tablets!) werden eigentlich nie teurer, nur die Leistung steigt. Der Apple Mini 2 Desktop ist gerade neu rausgekommen und kostet – trotz gesteigerter Leistung – 50,00 EUR weniger als sein Vorgänger, der bei mir auf dem Schreibtisch steht…

Noch deutlicher wird dies bei Mischbetrieben.

Die Preisentwicklung von verfahrenstechnischen Anlagen, wie z.B. Destillerien, Chemieproduzenten oder pharmazeutischen Unternehmen kann eigentlich gar nicht mit einem Mischindex abgebildet werden.

Dies geht schon bei vermeintlich einfach einzuordnenden Betrieben los.

Einer unserer Kunden ist eine Druckerei. Die Wertentwicklung von Druckmaschinen unterscheidet sich eigentlich gar nicht von der normierten gewerblichen Arbeitsmaschine (118 %). Allerdings hat unsere Firma außergewöhnlich große Absaug- und Wiederaufbereitungsanlagen für die Druckfarben. Diese Anlagen haben sich preislich ganz anders entwickelt (104%).

Preisentwicklung in einer Druckerei

Preisentwicklung in einer Druckerei

Safthersteller haben umfangreiche Anlagen für die Abfüllung, den Verschluss, Etikettierung und Verpackung von Flaschen (120,2%). Sie haben aber auch äußerst umfangreiche Tanklager (143 %) und verfahrenstechnische Anlagen (123 %).

Preisentwicklung bei einem Safthersteller

Preisentwicklung bei einem Safthersteller

Hinzu kommt: Alle diese Indizes werden errechnet als lieferfertiges Erzeugnis, d.h. ohne Fracht, Verpackung und Montage. Insbesondere bei umfangreichen Anlagen der Verfahrenstechnik belaufen sich die Montagearbeiten aber schnell auf 30-40 % des Gesamtwertes der Anlage.

Das heißt, für die Abbildung der Neuwerte einer Gesamtanlage sind auch die Lohnentwicklungen (Montage), die Verpackungspreise und die Frachtkosten entscheidend.

Kosten für Fracht, Verpackung und Montage

Kosten für Fracht, Verpackung und Montage

Man sollte also ein Auge darauf haben, wo der Schwerpunkt der eigenen Maschinen liegt, und eine Gewichtung vornehmen!

4 Fallstricke bei der Anwendung von Wertzuschlagsklauseln

Man sieht also, dass mit Hilfe von richtig ermittelten Wertzuschlägen die Versicherungssumme ziemlich genau fortgeschrieben werden kann.

Trotzdem lauern ein paar Fallstricke, die es zu umgehen gilt:

1. Versicherungssumme und Wertzuschläge müssen stimmen

Sie als Versicherungsnehmer müssen im Fall der Fälle in nachweisen, dass die Grundsumme und die Wertzuschläge bei Versicherungsbeginn korrekt ermittelt wurden. (Was unmittelbar einleuchtet, denn wenn schon die Basis am Anfang nicht stimmt, wäre ein stimmiges Ergebnis am Ende purer Zufall.)

Die Versicherer sind streng: Nur wenn Wertzuschläge und Versicherungssumme richtig ermittelt wurden, werden die Wertzuschläge im Schadensfall anerkannt.

Wenn Sie uns als Sachverständige damit beauftragen, liegt der Ball bei uns!

Und: Wenn Sie ein Sachverständigengutachten einreichen, so erhalten Sie sogar Schutz in Höhe des doppelten Wertzuschlages.

Das heißt, Ihre Versicherungssumme erhöht sich, ohne dass es Sie zusätzliche Prämie kostet.

So können Sie zum Beispiel „Sprinterprämien“ an Ihren Maschinenlieferanten zahlen und sind vor allem noch besser vor unterjähriger Inflation geschützt.

2. Bestandsveränderungen müssen richtig gepflegt werden

Bestandsveränderungen, also die Zu- und Abgänge, müssen zum einen der Sache nach richtig erfasst werden. Zum anderen müssen Sie aber auch mit den richtigen Wertzuschlägen in die Versicherungssumme eingepflegt werden.

3. Gebäude und Einrichtung müssen korrekt abgegrenzt werden

Wegen der unterschiedlichen Preisentwicklung ist die richtige Abgrenzung zwischen Gebäude und Einrichtung – trotz Summenausgleichs! – wichtig. Falsche Zuordnungen führen zu falschen Versicherungswerten.

Praxistipp: Zum Thema Abgrenzung von Gebäude und Betriebseinrichtung haben wir einen ausführlichen Beitrag geschrieben, den Sie hier finden.

4. Nicht auf die Anlagenbuchhaltung verlassen

Bei Ausbau, Umbau und Erweiterungen sowie nachträglichen Anschaffungen zu bereits bestehenden Anlagen entstehen nachträgliche Herstellungskosten. Steuerlich werden diese aktiviert und den ursprünglichen AK/HK hinzugerechnet. Damit sind sie aber mit einem falschem Anschaffungsjahr erfasst. Das kann beim Hochrechnen auf Basis der Anlagenbuchhaltung zu hohen Versicherungswerten führen.

Sie haben Fragen oder brauchen korrekte Wertzuschläge für Ihre industrielle Sachversicherung? Rufen Sie an, wir freuen uns!

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Philip Merker Sachverständiger für Maschinenbewertungen

Philip Merker, MBA

Zertifizierter Sachverständiger für die Bewertung von Maschinen und technischen Anlagen (DIN EN ISO / IEC 17024)

Telefon +49 (0)40 602 13 33
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