Gebäude oder Betriebsvorrichtung – das ist hier die Frage

Gebäude oder Betriebs-vorrichtung – das ist hier die Frage

26. September 2022 von P. Merker

Worum geht es?

Sie glauben gar nicht, wie leidenschaftlich und kontrovers sich eine vermeintlich so simple Frage wie diese:

Ist das jetzt eine Maschine oder ein Gebäude?

diskutieren lässt.

Oder um es etwas professioneller auszudrücken: Es geht heute um die Abgrenzung zwischen Betriebsvorrichtung und Betriebsgebäude. Denn je nach dem, für wen wir arbeiten, fällt die Antwort höchst unterschiedlich aus. Sie dürfen gespannt sein.

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Warum ist eine genaue Abgrenzung zwischen Betriebsvorrichtung und Betriebsgebäude wichtig?

Nach unserer Erfahrung ist die Abgrenzung zwischen Gebäude und Einrichtung alles andere als trivial, aber sehr wichtig, und zwar aus vielen Gründen.

Apropos Betriebseinrichtung vs. Betriebsvorrichtung: Je nach Zusammenhang werden verschiedene Begriffe gebraucht: Im buchhalterischem Kontext ist von Betriebsvorrichtungen die Rede. In anderen Zusammenhängen – so auch in unserer Bewertungspraxis – wird üblicherweise von Einrichtungen („technische und kaufmännische Betriebseinrichtung“) gesprochen. Vielfach ist auch der Begriff des Inventars gebräuchlich, zum Beispiel wenn Sie mit einem Hotelier oder einem Pflegeheimbetreiber sprechen.

Wir werden die Begriffe möglichst so verwenden, wie es im jeweiligen Kontext üblich ist.

Bevor wir jedoch ins Detail gehen, müssen wir noch etwas „Erwartungsmanagement“ betreiben. Keinesfalls wird es uns gelingen, Einzelzuordnungen exakt zu klären (noch werden wir das versuchen). Vielmehr möchten wir Ihre Aufmerksamkeit auf das Thema lenken und dafür werben, im Rahmen eines Bewertungsauftrages die Zuordnung sorgfältig mitzudenken.

Aber, kommen wir zurück zu den Gründen für eine saubere Abgrenzung:

1. Klarheit bei der Beauftragung von Sachverständigen

Bei Erteilung eines Bewertungsauftrag muss absolut klar sein, was eigentlich zu bewerten ist und wer dafür zuständig ist. Für die Bewertung der Betriebsgebäude wird üblicherweise ein darauf spezialisierter Immobiliensachverständiger beauftragt und für die Einrichtungen beauftragen Sie zum Beispiel uns als Sachverständige für die Bewertung von Maschinen, Anlagen und Betriebseinrichtungen.

Die wirtschaftlichen und rechtlichen Konsequenzen der Zuordnung können – wie wir sehen werden – erheblich sein. Deshalb muss bei Auftragserteilung genau geregelt werden, wer was macht. Das ist eine Frage der Kompetenz, des Bewertungszweckes und der Haftung.

Und letztendlich nützen weder unvollständige Gutachten („Ich dachte, das macht der Kollege“) noch Doppelzählungen bestimmter Bestandteile („eigentlich gehört das zur Einrichtung“).

Praxistipp: Gern erstellen wir Gutachten „aus einer Hand“ gemeinsam mit den Kollegen von Wagner und Partner. Dann brauchen Sie sich nicht um die Abgrenzung zu kümmern und es ist sichergestellt, dass der jeweils dafür kompetente die Bewertung übernimmt (und die Haftung!)

2. Zuordnung zu Gebäude oder Betriebsvorrichtungen hat steuerliche Konsequenzen

Verkehrswertgutachten erstellen wir häufig im Zusammenhang mit Verkäufen oder Umstrukturierungen von Gesellschaften. Ob ein Vermögensgegenstand bei solchen Transaktionen Betriebsvorrichtung oder Betriebsgebäude ist, kann dabei erhebliche steuerliche Konsequenzen haben – wie auch die Höhe des Wertansatzes des Vermögensgegenstandes.

3. Falsche Zuordnung kann zu Über- oder Unterversicherung führen

Bei der gewerblichen Sachversicherung haben Sie üblicherweise die Gebäudeversicherung und/oder die Inhaltsversicherung, die die Betriebseinrichtungen enthält.

Wenn bestimmte Anlagen doppelt erfasst werden, zahlen Sie womöglich zu viel Prämie. Auf der anderen Seite möchten Sie jedoch auch keine Unterversicherung riskieren, weil Sie bestimmte Anlagen der falschen Deckungssumme zugerechnet haben.

4. Bewertung von Betreiberimmobilien

Bei der Bewertung sogenannter Betreiberimmobilien (zum Beispiel Hotels oder Pflegeheime) werden häufig Pachten vereinbart, die sowohl für die Nutzung des Gebäudes und des Inventars gelten. Markt- und Beleihungswertgutachten sind jedoch ohne Inventaranteil zu ermitteln, so dass auch hier idealerweise eine genaue Abgrenzung vorzunehmen ist.

Betriebsgebäude vs. Betriebsvorrichtung und die steuerlichen Konsequenzen

Geht es um steuerliche Fragen bzw. um Fragen der Bilanzierung so sind die entscheidenden „Hinweise“ in den „Gleich lautenden Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder zur Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen vom 5.6.2013“  zu finden.

Danach ist wie folgt in 2 Schritten zu prüfen:

    1. Handelt es sich bei dem fraglichen Bauwerk um ein Gebäude?

Merke: Ist es ein Gebäude, so ist es keine Betriebsvorrichtung!

Ein Gebäude liegt vor, wenn

  • durch eine räumliche Umschließung Menschen oder Sachen gegen Witterungseinflüsse geschützt sind;
  • sich Menschen dort aufhalten können;
  • es fest mit Grund und Boden verbunden ist
  • sowie eine gewisse Beständigkeit und Standfestigkeit gegeben sind.

Dabei ist zum Beispiel auch eine offene Halle ein Witterungsschutz! Und auch die Aufenthaltsmöglichkeit für Menschen kann gegeben sein, auch wenn der Aufenthalt sich als höchst unbequem, dunkel oder gar gesundheitsschädlich gestaltet.

Abrenzung Betriebsgebäude Betriebsvorrichtung

Quelle: Gleich lautenden Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder zur Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen vom 5.6.2013

2. Ist es ein Gebäudebestandteil, eine Betriebsvorrichtung oder eine Außenanlage ?

Nach § 94 Abs. 2 BGB sind wesentliche Bestandteile eines Gebäudes die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen.

Wenn Sie sich den Paragrafen über den dejure.org – Link anschauen, so werden Sie 1.766 Entscheidungen der Rechtsprechung dazu finden bezüglich der konkreten Auslegung.

Gerade die oben genannten Erlasse, mithin die Steuer, setzen sich explizit über diese Definition hinweg und definieren zum Zwecke der Besteuerung anders.

Und zwar:

Die Entscheidung, ob wesentliche Bestandteile als Betriebsvorrichtungen einzustufen sind, richtet sich danach, ob diese in so enger Beziehung zu dem auf dem Grundstück ausgeübten Gewerbe stehen, dass dieses unmittelbar mit ihnen betrieben wird.

Hierunter können auch selbstständige Bauwerke oder Teile davon fallen, wie etwa  Schornsteine.

Wenn die betreffenden Gebäudebestandteile der Benutzung des Gebäudes dienen, dann gelten sie als Gebäudebestandteile.

Unser Lieblingsbeispiel sind die Fahrstühle: Lastenaufzüge sind üblicherweise Betriebsvorrichtung während Personenaufzüge dem Gebäude zuzurechnen sind.

Zu den Außenanlagen gehören Bauten, die der Benutzung des Grundstücks dienen und in keiner besonderen Beziehung zu dem Gewerbebetrieb stehen – Straßen, Wege, Zäune etwa.

Zwischenfazit: Nur wenn es sich bei dem entsprechenden Bauwerk nicht um ein Gebäude im obigen Sinne handelt, könnte es eine Betriebsvorrichtung sein. (Klingt eigentlich ganz logisch, oder?). Eine Betriebsvorrichtung ist es, wenn es unmittelbar dem Betrieb des Gewerbes dient. Alles klar?

Praxistipp: Die genannten Erlasse enthalten sehr schöne tabellarische Aufstellungen und sogar Zeichnungen für die Praxisanwendung.

Nachdem wir nun korrekt abgegrenzt bzw. zugeordnet haben, ergeben sich doch erhebliche finanzielle Konsequenzen aufgrund der unterschiedlichen Behandlung in der Steuergesetzgebung. Zum Beispiel:

  • Betriebsvorrichtungen sind bewegliche Wirtschaftsgüter und daher unabhängig vom Gebäude wie das übrige bewegliche Anlagevermögen
  • Im Regelfall ist die Abschreibungsdauer für Betriebsgebäude länger und der Abschreibungssatz niedriger als für Betriebsvorrichtungen.
  • Für Betriebsvorrichtungen ist im Gegensatz zu Grund und Boden bzw. Gebäude keine Übertragung stiller Reserven nach 6b EStG zulässig.
  • 7g EStG ermöglicht die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen und Sonderabschreibungen für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe.
  • Nach § 2 GrStG sind Betriebsvorrichtungen von der Grundsteuer ausgenommen.
  • Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GrEStG sind Betriebsvorrichtungen von der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ausgenommen.
  • Nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG sind Vermietungen von Betriebsvorrichtungen von der Umsatzsteuerbefreiung ausgenommen.
  • 2 InvZulG 2010 enthält unterschiedliche Regelungen zur Förderung von Betriebsvorrichtungen und Betriebsgebäuden

Natürlich gilt: Wir machen hier weder Steuerberatung noch Rechtsberatung, sondern möchten Ihnen vielmehr Gefühl für die Problematik und die Folgen vermitteln!

Im Rahmen eines Bewertungsauftrages bieten wir an, zusammen mit dem Immobilienbewerter und Ihrem Steuerberater ein gemeinsames Verständnis über die Zuordnung zu entwickeln. Wir tragen dann Sorge für die korrekte Umsetzung.

Betriebsgebäude vs. Betriebseinrichtung und die Konsequenzen für die betriebliche Sachversicherung

Die Zuordnung von Vermögensgegenständen zum Gebäude oder zur Betriebseinrichtung beeinflusst erheblich die Versicherungssumme: Landen bestimmte Bestandteile sowohl beim Gebäude als auch der Einrichtung, kommt es zur Überversicherung und im Zweifel zu zu hohen Prämienzahlungen.  Werden bestimmte Bestandteile fälschlicherweise dem Gebäude zugerechnet, obwohl sie Betriebseinrichtung sind, kann das schnell zur Unterversicherung bei der Inhaltsversicherung führen. Das ist gefährlich, da die Gebäudeversicherung im Zweifel beim Schaden auch nur für Gebäudeteile aufkommt.

Zum Thema Über- und Unterversicherung können Sie sich in diesem Beitrag informieren.

Maßgeblich für die Zuordnung sind die Positionen-Erläuterungen für die Sachversicherung Ihres Versicherers.

Die Versicherer lehnen sich dabei an eine gewisse Standardisierung an, jedoch ist im Zweifel immer die jeweilige Police zu prüfen!

Wir haben im Folgenden einmal anhand der Positionen-Erläuterungen des HDI einige Unterschiede in der steuerlichen Zuordnung und der versicherungstechnischen Zuordnung herausgesucht, um zu verdeutlichen, wie entscheidend es ist, sich je nach Bewertungszweck Klarheit zu verschaffen. (Die Beispiele sind keinesfalls vollständig und immer vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung!)

Steuerlich Betriebsvorrichtung, versicherungstechnisch Gebäude:

  • Kleine „Gebäude“ unter 30 m² Grundfläche, die nicht für den dauerhaften Aufenthalt von Menschen gedacht sind (Pumpenhäuser etc.), Ausnahme: Trafohäuschen!

Steuerlich Gebäude, versicherungstechnisch Betriebseinrichtung:

  • Meisterbüros, Materiallager etc. (Gebäude innerhalb von Gebäuden
  • Beleuchtungsanlagen
  • Brandmeldeanlagen in Lagergebäuden
  • Bürocontainer
  • Gewächshäuser
  • Manuelle Hochregallager
  • Lichtreklamen
  • Luftschleieranlagen
  • Notstromaggregate

Bewertung des Inventars bei Betreiberimmobilien

Eine Legaldefinition für den Begriff des Inventars (also der Betriebs- und Geschäftsausstattung einer Betreiberimmobilie) existiert nicht. Daher werden in der Praxis die Regelungen zur Abgrenzung des Inventars und der Immobilie meist vertraglich vereinbart.

Am Transaktionsmarkt sind sowohl Veräußerungen von Betreiberimmobilien inklusive als auch exklusive des Inventars zu beobachten. Die Gründe für unterschiedliche Gestaltungen können steuerlicher, wirtschaftlicher oder rechtlicher Art sein.

Das bedeutet jedoch, dass für den Fall einer Bewertung identifiziert werden muss, ob die relevante Pacht inklusive (Pacht im eigentlichen Sinne) oder exklusive des Inventars (Miete im eigentlichen Sinne) ist.

Der Immobiliensachverständige leitet die tragbare Pacht üblicherweise aus dem Pachtwertverfahren ab und bezieht sich dabei auf den voll funktionsfähigen Zustand der Immobilie. Verkehrswertgutachten und Beleihungswertgutachten sind jedoch ohne Inventaranteil zu ermitteln.

Dabei kann der Inventaranteil aus Projektkalkulationen entnommen werden, er kann näherungsweise mittels Kennziffern und Ansätzen aus der Fachliteratur ermittelt werden oder durch eine Bewertung eines Sachverständigen.

Für den umgekehrten Fall, dass das Inventar dem Pächter (also dem Betreiber) gehört, ist es nicht unüblich, dass am Ende der Pachtzeit das Inventar vom Eigentümer des Grundstückes übernommen wird. Der Ablösebetrag  kann durch einen entsprechend qualifizierten Sachverständigen (öffentlich bestellt und vereidigt oder zertifiziert nach DIN 17024) vorgenommen werden.

Auch hier ist aber ein gemeinsames Verständnis über die Zuordnung zum Inventar notwendig, bevor eine Bewertung (sehr gern durch uns) erfolgen kann.

Unser Fazit zum Thema

1.Stellen Sie sicher, dass alle Personen, die in die Bewertung involviert sind über den Zweck der Bewertung Klarheit haben.

2. Stellen Sie sicher, dass alle Beauftragten über die genaue Zuordnung zu Betriebsgebäude und Betriebseinrichtung – je nach Bewertungszweck – einig sind. Dazu gehören idealerweise auch zum Beispiel Ihr Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer.

3. Stellen Sie sicher, dass Sie je nach Bewertungsgegenstand den richtigen Sachverständigen im Boot haben.

Und falls Ihnen das alles zu aufwändig ist, so delegieren Sie es einfach an uns!

Philip Merker Sachverständiger für Maschinenbewertungen

Philip Merker, MBA

Zertifizierter Sachverständiger für die Bewertung von Maschinen und technischen Anlagen (DIN EN ISO / IEC 17024)

Telefon +49 (0)40 602 13 33
E-Mail ­info@sv-merker.de