Wie Sie Wiederbeschaffungswerte richtig anwenden und ermitteln

Wie Sie Wiederbeschaffungs-werte richtig anwenden und ermitteln

26. Juli 2022 von P. Merker

Worum geht es?

Der Wiederbeschaffungswert ist – nach unserer Meinung – einer der interessantesten Begriffe aus der Bewertungspraxis.

Die Krux ist, dass – je nach wirtschaftlichem Zusammenhang –Wiederbeschaffungswerte ganz unterschiedlich angewendet und ermittelt werden

Da es im Allgemeinen immer eine gute Idee ist genau zu klären, was gewollt ist (und im Speziellen natürlich bei der Erstellung eines Wertgutachtens) wollen wir im Folgenden die drei wichtigsten Konzepte vorstellen.

Diese sind

  • der Wiederbeschaffungszeitwert, wie Sie ihn aus der KfZ-Versicherung kennen
  • der Wiederbeschaffungskosten, wie sie in der Betriebswirtschaft gebraucht werden
  • der Wiederbeschaffungsneuwert, wie er für die betriebliche Sachversicherung gebraucht wird

Darüber hinaus berechnen wir in unserer Bewertungspraxis Wiederbeschaffungszeitwerte und -neuwerte als Grundlage für die Ermittlung von Verkehrswerten, und zwar

  • zur Plausibilisierung von Vergleichswerten und
  • wenn keine Vergleichswerte existieren, etwa bei selbst erstellten Maschinen und Anlagen.

Wenn Sie sich dafür interessieren, wie wir bei der Maschinenbewertung vorgehen, so empfehlen wir Ihnen unseren Artikel „Wie bewertet man Maschinen“.

Unsere besten Tipps und Infos rund um Ihre Maschinen, Anlagen und Betriebseinrichtungen – einmal im Monat direkt in Ihr Postfach!

Was versteht man unter dem Wiederbeschaffungswert?

Grundsätzlich umfasst der Wiederbeschaffungswert sämtliche Kosten, die aufgewendet werden müssen, um eine gleichartige und gleichwertige Sache (Maschine, Anlage, Betriebseinrichtung etc.) wiederbeschaffen zu können, und zwar zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Gleichartig und gleichwertig

Dem Wortlaut („gleichartig und gleichwertig“) ist zu entnehmen, dass es sich nicht um den Wert für den gleichen Vermögensgegenstand handeln muss. In vielen Fällen mag es nämlich gar nicht mehr möglich sein, die gleiche Anlage oder Maschine wiederzubeschaffen, etwa weil sie technisch überholt sind.

Sämtliche Kosten

Neben dem reinen Kaufpreis umfasst der Wiederbeschaffungswert auch die erforderlichen Nebenkosten.

Zeitpunkt der Wiederbeschaffung

Je nachdem zu welchem Zweck die Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes erfolgt, kann dieser in Gegenwart liegen oder in der Zukunft.

Neuwert vs. Zeitwert

Ebenfalls je nach Bewertungszweck kann es sich um die Wiederbeschaffung einer neuwertigen Sache (Wiederbeschaffungsneuwert) oder einer zeitwertigen Sache (Wiederbeschaffungszeitwert) handeln. Darauf kommen wir jetzt zu sprechen.

Der Wiederbeschaffungszeitwert

Beispiel Autoversicherung

Diesen Wert kennen Sie vielleicht aus Ihrer Kfz-Versicherung, denn dort bildet er die Grundlage für die Berechnung des Schadensausgleichs, den Sie bei Unfall, Zerstörung oder Diebstahl erhalten.

Hier umfasst er den Betrag, den Sie für ein Auto zahlen müssten, dass Ihrem in Marke, Modell, Ausstattung, Baujahr, Kilometerleistung und Zustand entspricht, mithin gleichwertig und gleichartig zu Ihrem Wagen, und zwar am Schadenstag.

Es kommt also nicht auf den Neuwert, sondern auf den Zeitwert an und zwar zum Schadenstag, also üblicherweise „per heute“.

Der Wiederbeschaffungs-zeitwert

Beispiel Autoversicherung

Diesen Wert kennen Sie vielleicht aus Ihrer Kfz-Versicherung, denn dort bildet er die Grundlage für die Berechnung des Schadensausgleichs, den Sie bei Unfall, Zerstörung oder Diebstahl erhalten.

Hier umfasst er den Betrag, den Sie für ein Auto zahlen müssten, dass Ihrem in Marke, Modell, Ausstattung, Baujahr, Kilometerleistung und Zustand entspricht, mithin gleichwertig und gleichartig zu Ihrem Wagen, und zwar am Schadenstag.

Es kommt also nicht auf den Neuwert, sondern auf den Zeitwert an und zwar zum Schadenstag, also üblicherweise „per heute“.

Bewertung von Prototypen und selbst erstellten Anlagen

Auch in unserer Bewertungspraxis spielt der Wiederbeschaffungszeitwert eine große Rolle, und zwar immer dann, wenn wir Verkehrswerte ermitteln für Maschinen und Anlagen, für die es weder einen Gebrauchtmarkt noch sonstige Vergleichswerte gibt.

Das ist zum Beispiel immer dann der Fall, wenn Prototypen oder selbst erstellte Anlagen zu bewerten sind. In diesen Fällen haben wir meistens nur Angaben zu den historischen Herstellungskosten.

Diese dienen uns dann als Grundlage, um den Wiederbeschaffungsneuwert zu ermitteln (wie das geht siehe unten).

In einem nächsten Schritt beurteilen wir den Zustand der Anlage, um gegebenenfalls entsprechende Gebrauchsabschläge vornehmen zu können. Anschließend wird – je nachdem wie lange die Anlage bereits in Betrieb war – die allgemeine Abwertung vorgenommen.

So können wir einen Wert kalkulieren, der uns Auskunft gibt, zu welchen Kosten eine Maschine dieses Alters und Zustandes „per heute“ (also zum Bewertungsstichtag) wiederbeschafft werden könnte.

Im Übrigen ermitteln wir diesen Wiederbeschaffungszeit häufig auch dann, wenn es einen Gebrauchtmaschinenmarkt und entsprechende Vergleichsdaten gibt, um die so gefundenen Verkehrswerte zu plausibilisieren.

Wichtig ist, dass auch Nebenkosten, wie zum Beispiel Fundamente, mit einzupreisen sind, ohne die die Maschine gar nicht betrieben werden könnte.

Der Wiederbeschaffungsneuwert

Für die betriebliche Sachversicherung

Anders als bei der Kfz-Versicherung spielt in der betrieblichen Sachversicherung – überwiegend – der Neuwert die entscheidende Rolle.

Das heißt, wenn Sie Ihr Unternehmen zum Beispiel gegen Feuer versichern, so schließen Sie eine sogenannte Neuwertversicherung ab. Hierfür benötigen Sie die Wiederbeschaffungskosten Ihrer Maschinen und Anlagen zum Neuwert und „per heute“, also zum aktuellen Bewertungsstichtag.

Der Neuwert umfasst die Kosten, zu denen eine Maschine oder Anlage im neuen und untadeligen Zustand zu beschaffen wäre.

Aus den Neuwerten wird dann die Versicherungssumme gebildet. Für die Sachversicherung umfasst der Neuwert daher auch Fracht, Verpackung und Montage, denn Ziel der Sachversicherung ist die möglichst schnelle Betriebsbereitschaft.

In bestimmten Fällen ist es allerdings auch möglich und sinnvoll, Maschinen, Anlagen oder Betriebseinrichtungen zum Zeitwert zu versichern.

Idealerweise wird der Wiederbeschaffungsneuwert jährlich angepasst, damit die Versicherungssumme jederzeit stimmt.

Die korrekte Ermittlung der Wiederbeschaffungswerte für die Sachversicherung ist sowohl für die betriebliche Sicherheit als auch für das betriebliche Portemonnaie sehr wichtig.

Lesen Sie dazu unseren Beitrag „Die richtige Versicherungssumme in der betrieblichen Sachversicherung“ und machen Sie den „Quickcheck Versicherungssumme“.

Der Wiederbeschaffungs-neuwert

Für die betriebliche Sachversicherung

Anders als bei der Kfz-Versicherung spielt in der betrieblichen Sachversicherung – überwiegend – der Neuwert die entscheidende Rolle.

Das heißt, wenn Sie Ihr Unternehmen zum Beispiel gegen Feuer versichern, so schließen Sie eine sogenannte Neuwertversicherung ab. Hierfür benötigen Sie die Wiederbeschaffungskosten Ihrer Maschinen und Anlagen zum Neuwert und „per heute“, also zum aktuellen Bewertungsstichtag.

Der Neuwert umfasst die Kosten, zu denen eine Maschine oder Anlage im neuen und untadeligen Zustand zu beschaffen wäre.

Aus den Neuwerten wird dann die Versicherungssumme gebildet. Für die Sachversicherung umfasst der Neuwert daher auch Fracht, Verpackung und Montage, denn Ziel der Sachversicherung ist die möglichst schnelle Betriebsbereitschaft.

In bestimmten Fällen ist es allerdings auch möglich und sinnvoll, Maschinen, Anlagen oder Betriebseinrichtungen zum Zeitwert zu versichern.

Idealerweise wird der Wiederbeschaffungsneuwert jährlich angepasst, damit die Versicherungssumme jederzeit stimmt.

Die korrekte Ermittlung der Wiederbeschaffungswerte für die Sachversicherung ist sowohl für die betriebliche Sicherheit als auch für das betriebliche Portemonnaie sehr wichtig.

Lesen Sie dazu unseren Beitrag „Die richtige Versicherungssumme in der betrieblichen Sachversicherung“ und machen Sie den „Quickcheck Versicherungssumme“.

Exkurs: Wiederherstellungskosten bei Immobilien

Bei Betriebsgebäuden, vor allem wenn Sie bereits seit mehreren Jahren genutzt werden und die Versicherungssumme seinerzeit auf Basis der Neubaukosten ermittelt wurden, sollte ebenfalls regelmäßig die Versicherungssumme abgeglichen werden. Hierfür ermittelt man das „Immobilienpendant“ zu den Wiederbeschaffungswerten, die Wiederherstellungskosten.

Die Ermittlung erfolgt anhand von Qualitäten und Kostenkennzahlen und bezieht die Baupreisindexentwicklung mit ein.

Eine große Krux dabei ist die Abgrenzung zwischen Gebäude und Einrichtung, denn hier gelten für die Versicherung ganz eigene Regeln.

Ein Beispiel: Personenaufzüge gehören zum Gebäude, Lastenaufzüge hingegen sind Betriebseinrichtung.

Daher erstellen wir Versicherungsgutachten für Unternehmen auf Wunsch für Gebäude und Einrichtungen „aus einer Hand“ zusammen mit unseren Kollegen von Wagner und Partner Immobilienbewertung, denn so können wir sicherstellen, dass nichts doppelt erfasst oder vergessen wird.

Verkehrswertermittlung auf Basis von Wiederbeschaffungswerten

Wir hatten oben bereits erläutert, dass wir in bestimmten Fällen Verkehrswerte auf Basis der Wiederbeschaffungszeitwerte ableiten.

Für die Ermittlung der Wiederbeschaffungszeitwerte wiederum benötigen wir die Wiederbeschaffungsneuwerte. Diese leiten wir (wenn wir nichts anderes haben) aus den historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten ab.

Dieses Verfahren wenden wir insbesondere bei der Bewertung von Prototypen und selbst erstellten Anlagen und Maschinen an. Dabei gehen wir wie folgt vor:

  1. Alle Kostenblöcke zur Erstellung der Maschine werden gemäß der anzuwendenden Indexreihen und gemäß dem Zeitpunkt ihrer Einbringung geclustert. Das sind zum Beispiel die Personalkosten, Maschinenstunden und Sachkosten. Je nach Maschine können das mehrere Dutzend Cluster werden!
  2. Dann rechnen wir in einem ersten Schritt die Werte auf den Zeitpunkt der ersten Inbetriebnahme der Maschine hoch und in einem zweiten auf den Bewertungsstichtag. Damit erhalten wir den Wiederbeschaffungsneuwert. Aus diesem errechnet sich dann – wie bereits beschrieben – der Wiederbeschaffungszeitwert.

Die folgende Grafik verdeutlicht den gesamten Weg, wie wir mit Hilfe der Wiederbeschaffungswerte zu Verkehrswerten bei solchen Spezialitäten wie selbst erstellten Maschinen und Anlagen gelangen.

Ableitung des Verkehrswertes aus dem Wiederbeschaffungswert

Wiederbeschaffungskosten

In der Betriebswirtschaft werden Wiederbeschaffungskosten ermittelt, um zu einem späteren Zeitpunkt eine sogenannte „leistungsäquivalente“ Wiederbeschaffung eines Vermögensgegenstandes zu ermöglichen.

Hier werden also Wiederbeschaffungswerte ermittelt, die in der Zukunft liegen.

Dabei spielen folgende Überlegungen eine Rolle:

Preissteigerungen:

In Ihrer Unternehmensbilanz finden Sie üblicherweise die Anschaffungs- und Herstellungskosten zu historischen Preisen. Preissteigerung und Inflation werden aber dazu führen (davon braucht uns aktuell wahrscheinlich niemand zu überzeugen), dass zum Zeitpunkt des Ersatzes ein höherer Geldbetrag aufzuwenden ist.

Technologischer Fortschritt:

Zum Zeitpunkt der Ersatzinvestition werden Sie wahrscheinlich auf Anlagen des dann gültigen technischen Standes zurückgreifen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Möglicherweise sind Anlagen der nächsten Generation aber teurer – möglicherweise aber auch günstiger. Sie dürfen also bei der Wiederbeschaffung einen Innovationsfaktor berücksichtigen.

Wirtschaftliche Nutzungsdauer:

Gesetzlich zulässige Abschreibungsmethoden und Nutzungsdauern sind oftmals nicht identisch mit der tatsächlichen Abnutzung der Maschinen und Anlagen – weder der Höhe nach noch im zeitlichen Verlauf. Das heißt, um die Substanz eines Unternehmens sicherzustellen, kalkulieren Sie die Abschreibung der prognostizierten Wiederbeschaffungskosten nach den tatsächlichen Gegebenheiten.

Um die Wiederherstellungskosten zum Zweck des Substanzerhaltes eines Unternehmens zu ermitteln, gehen Sie also wie folgt vor:

  1. Sie bestimmen den Zeitpunkt der Ersatzinvestition.
  2. Sie prognostizieren die Preissteigerung (wahrscheinlich aktuell eine der größten Herausforderungen) und den Einfluss von technologischem Fortschritt auf den Preis.

Auch bei diesen Wiederbeschaffungswerten sind die erforderlichen Nebenkosten zu berücksichtigen.

Den Zusammenhang kann man sich gut anhand der folgenden Grafik verdeutlichen:


Vergleich zwischen Wiederbeschaffungswert, Verkehrswert un Buchwert

Alle Theorie ist grau – der Wiederbeschaffungswert im Praxistest

Warum wir uns ausgerechnet jetzt mit dem Wiederbeschaffungswert beschäftigen, hat eine kleine Vorgeschichte.

Als wir kürzlich mit dem Büro von den Colonnaden in die Mönckebergstraße gezogen sind, fiel mir beim Kistenpacken der schöne, alte, robuste Industrie-Zangenhefter für Runddraht-Heftklammern, Modell Elastic Nr. 53 der Firma Schlemming in die Hände.

Diesen hatte Anfang der 1960iger Jahre mein Großvater, der unser Sachverständigenbüro in den 50iger Jahren gegründet hat, angeschafft.

Ich habe an meinen Großvater gedacht und daran, wie großartig er das fände, dass es das Büro nun schon in dritter Generation gibt. Und dann dachte ich (Berufskrankheit!) wie man diesen Super-Tacker wohl heute bewerten würde…

Praxibeispiel Wiederbeschaffungswerte

Das ist der Industrie-Zangenhefter für Runddraht-Heftklammern, Modell Elastic Nr. 53 von ca. 1960. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was die historischen Anschaffungskosten waren.

Kleine Recherche: Das Gerät wird noch immer hergestellt und vertrieben, und zwar für 387,52 €. Damit haben wir einen beeindruckenden Wiederbeschaffungsneuwert.

Praxibeispiel Wiederbeschaffungswerte

Eine Heftzange der Marke Simplex A erhalten Sie bereits für unter 100 € pro Stück, also für knapp ein Viertel. Damit können Sie ebenfalls Klammern der Größe 53 in Ihre Unterlagen heften. Sachverständigenseits hätten wir nun zum Beispiel die Aufgaben, die Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit zu beurteilen.

Praxibeispiel Wiederbeschaffungswerte

Diese Ebay-Offerte für 17 € (das Jahr der Offerte ist unbekannt) könnte man als Basis für einen Wiederbeschaffungszeitwert heranziehen. Allerdings hat das Gerät für diesen Preis wohl keinen Käufer gefunden. Daher wären wir mit der Ableitung eines Verkehrswertes sehr vorsichtig.

Praxibeispiel Wiederbeschaffungswerte

Was uns letztendlich zum schönsten aller Werte bringt, der sich jeder Ratio entzieht:  Dem Liebhaberwert, für Dinge, die unersetzlich und unbezahlbar sind.

Philip Merker Sachverständiger für Maschinenbewertungen

Philip Merker, MBA

Zertifizierter Sachverständiger für die Bewertung von Maschinen und technischen Anlagen (DIN EN ISO / IEC 17024)

Telefon +49 (0)40 602 13 33
E-Mail ­info@sv-merker.de